Schweizer Forscher rekonstruierten anhand von Baumringen die Lufttrockenheit in den vergangenen 400 Jahren. Sie warnen vor verstärkter Dürre und erhöhter Waldbrandgefahr durch trockene Luft.

- Luft holt sich Wasser von Pflanzen
- Maßgebend ist das Dampfdruckdefizit
- Baumringe verraten Luftfeuchtigkeit der vergangenen 400 Jahre
- Auswirkungen auf Landwirtschaft und Wälder
Die Atmosphäre in Europa ist so trocken wie schon seit hunderten Jahren nicht mehr. Das haben Schweizer Forscher in einer Studie herausgefunden. Die Wissenschaftler der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) untersuchten dazu Jahresringe von Bäumen.
Luft holt sich Wasser aus Pflanzen
Das Wasser, das die Luft braucht, holt sie sich aus Pflanzen und Bäumen. Der physikalische Wert für Lufttrockenheit ist das Dampfdruckdefizit (vapor pressure deficit, kurz VPD). „Wasserdurstige“ Luft hat einen hohen Wert. Wenn die Luft den Pflanzen das Wasser wegnimmt, kann das zum Absterben führen. Anhand dieser Tatsache konnten die Wissenschaftler an Baumringen die Wasserhaltigkeit der Luft seit dem Jahr 1600 feststellen. Dafür stellte das internationale Forschungsteam Daten von Sauerstoff-Isotopen in den Jahrringen aus ganz Europa zu einem großen Netzwerk zusammen. Isotope sind unterschiedlich schwere Varianten eines Atoms, die über das Wasser aufgenommen werden und deren Anteil von Jahresring zu Jahresring schwankt Die Schwankungen werden zum Großteil durch das Dampfdruckdefizit gesteuert. Daher geben Sauerstoff-Isotope in Jahrringen Auskunft über die Lufttrockenheit in der Vergangenheit.
Menschgemacht und am stärksten in Mitteleuropa
Anhand von zusätzlichen Modellsimulationen konnten die Forscher die Erkenntnisse aus den Jahresringdaten testen. Auch die Modelle kommen zum Ergebnis, dass die Lufttrockenheit im 21. Jahrhundert im Vergleich zur vorindustriellen Zeit außergewöhnlich hoch ist. Darüber hinaus zeigen sie, dass die heutigen Werte ohne Treibhausgas-Emissionen erreicht worden wären. Der Einfluss des Menschen ist also offensichtlich.
Die Wissenschaftler sehen längerfristig eine Bedrohung vieler lebenswichtiger Ökosystemfunktionen. „Für die Landwirtschaft hat VPD eine besonders große Bedeutung, denn je höher es ist, desto größer ist der Wasserbedarf der Nutzpflanzen“, erklärt Kerstin Treydte. Mehr Bewässerung wird nötig und die Erträge sinken. Bei Wäldern sind Holzversorgung und Kohlenstoffbindung gefährdet, was zu Unsicherheiten hinsichtlich der Klimaregulierung und der zukünftigen Kohlenstoffspeicherung dieser Ökosysteme führt. Darüber hinaus verschärft die Austrocknung der Bäume die Waldbrandgefahr.